VDI – Nachrichten, 28. Februar 2003
„Culture Talk“ für Ingenieure
Coaching: Annette Kessler bringt Introvertierte ins Gespräch und schließt auch mal Bildungslücken
Guter Small Talk bringt
gute
Geschäfte, sagt die Musik- und Theaterwissenschaftlerin Dr. Annette Kessler (45). Sie veranstaltet Seminare, bei denen sie introvertiert veranlagten Geschäftsleuten die hohe Kunst des Parlierens beibringen möchte. Zu Kesslers Kunden gehören Führungskräfte aus allen Berufen. Den Ingenieuren attestiert sie im Interview Lernbedarf.
VDI nachrichten: Worum geht es bei Ihrem „Culture Talk“?
Kessler: Es geht neben der Gesprächstechnik auch um das Erlernen von kulturellem Grundwissen, damit die Teilnehmer es
vermeiden, sozusagen ins Fettnäpfchen zu treten.
VDI nachrichten: Small Talk soll mehr sein als nur oberflächliches Geplänkel?
Kessler: Es ist der Anfang jeden Kontaktes und damit
auch Basis für den Erfolg der Geschäftsbeziehung. Gerade in technischen Berufen ist das Fachwissen zwar enorm hoch, die emotionale Kompetenz oft nicht so entwickelt. Die Leute fühlen sich unwohl, wenn sie über Dinge
reden müssen, die nichts mit ihrem Fach zu tun haben. Das ist schade, denn sie verlieren dann an Wirkung. Die Persönlichkeit ist jedoch auch bei Geschäftskontakten sehr wichtig.
VDI nachrichten: Was läuft beim Small Talk ab?
Kessler: Seine Bedeutung liegt vor allem auf der Beziehungsebene: Man erzeugt Vertrauen und Sympathie. Die Gesprächshaltung muss positiv sein. Auch wenn Führungskräfte und einfache Angestellte
miteinander sprechen, müssen sie sich menschlich auf der gleichen Ebene begegnen. Also nicht von oben herab oder unterwürfig. Auf der Grundlage einer vertrauensvollen Atmosphäre kann dann später das
Geschäftsgespräch ablaufen.
VDI nachrichten: Dann ist es egal, worüber man redet?
Kessler: Nein, der Inhalt muss schon stimmen. Es gibt nämlich Tabuthemen. Man sollte nicht über
Religion und Politik sprechen.
VDI nachrichten: Genau das könnte doch interessant werden.
Kessler: Man muss aber damit rechnen, dass der Gesprächspartner eine völlig andere Meinung
vertritt. Dann liegt in dem Gespräch schon viel Zündstoff.
VDI nachrichten: Über was soll man dann reden?
Kessler: Geeigneter sind Themen, wie das eigene Hobby. Man kann auch immer
mit dem Wetter und der Anreise anfangen.
VDI nachrichten: Das hört sich langweilig an.
Kessler: Man sollte dabei immer einen eigenen Standpunkt, eine emotionale Wertung
reinbringen. So etwas bleibt besser in Erinnerung. Man könnte sagen, dass einen das gleißende Licht draußen an die Berge erinnere, und dass man gerne in den Bergen sei, weil man Ski fahre. Die Kunst des Small Talks
ist nämlich, Assoziationsketten zu bilden.
Die kulturellen Themen sind später bei einem mehrgängigen Menü dran. Dann braucht man aber ein Repertoire aus dem man schöpfen kann.
VDI nachrichten: Welches Wissen vermitteln Sie?
Kessler: Wichtiges aus der Literatur und Kunst. Ich gehe die Musikgeschichte im Galopp durch und erzähle zum Beispiel, dass Chopin einen Winter auf Mallorca war.
VDI nachrichten: Große
Bildungslücken können sie in einem eintägigen Seminar wohl kaum wettmachen.
Kessler: Ich möchte nur eine gewisse Sicherheit vermitteln, eine Art Gerüst für das Gespräch. Bei kulturellen Themen
sollte man auch verallgemeinern, um zu eigenen Erzählungen zu kommen. Außerdem kann man mit dem Grundwissen zumindest intelligente Fragen stellen – wenn man zum Beispiel neben der Gattin des Generaldirektors sitzt,
die ein Opernfan ist. Da sollte man wissen, dass Chopin nicht im 13. Jahrhundert gelebt hat, sondern 600 Jahre später. Natürlich müssen die Leute dann privat weiter an sich arbeiten. Viele bekommen auch Lust, zu
lesen. Und wenn es nur der Bestseller „Bildung“ von Dietrich Schwanitz ist. In diesem Buch wird Wissen populär vermittelt.
VDI nachrichten: Schlagfertigkeit ist eine hohe Kunst. Wie wollen Sie diese
vermitteln?
Kessler: Das ist eine Sache des Humors und der Kreativität. Man darf sich aber nicht unter Druck setzen, sondern sollte gelassen in die Gespräche reingehen.
VDI nachrichten:
Können Sie Tipps zur Körpersprache geben?
Kessler: Man sollte dem Partner zugewandt sein. Es ist ratsam, die Körperhaltung des Gegenübers zu spiegeln, ohne ihn völlig nachzuahmen. Das hat
was mit emotionaler Intelligenz zu tun.
VDI nachrichten: Sind Frauen eigentlich bessere Small-Talker als Männer?
Kessler: Auf keinen Fall. Das ist vom Charakter abhängig.
Introvertierte tun sich da etwas schwieriger. Die Techniker gehören da öfter dazu als andere Berufe.
VDI nachrichten: Haben Sie Empfehlungen für jene, die schnell etwas lernen wollen?
Kessler: Das Geheimnis des Erfolgs ist, den Standpunkt des anderen zu verstehen – das hat schon Henry Ford gesagt.
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