Südkurier, 13. April 2004
Auch Plaudern will gelernt sein Annette Kessler schult Aufsteiger in Etikette und Verhalten
Von Susanne Hoffmann
Small Talk ist fundamental wichtig für die Karriere. Für Annette Kessler von
dem Konstanzer Beratungs- und Seminarunternehmen „Culture Talk“ steht und fällt mit dem Small Talk heute jedes Vorstellungsgespräch und damit das Erklimmen der Karriereleiter. „Jeder Kontakt beginnt mit Small Talk,
egal in welcher Branche“. Und deshalb ist es wichtig, dass derjenige, der etwas will, in dieser Situation auch die bestmögliche Figur macht.
Ein lockeres Gespräch über ansprechende Themen mit dem Ziel,
dass sich alle Beteiligten wohl fühlen: So kann der Begriff Small Talk wohl am besten übersetzt werden. Was aber nicht heißt, dass der Bewerber sein Gegenüber mit „akustischem Sperrmüll“ beladen soll, rät die
Expertin. Das Wetter oder die Anreise seien geeignete Einstiegsthemen. Tabuthema ist „alles, was polarisiert“, also Krankheit, Krise, Politik oder Religion. Auch das Tratschen über Andere lasse keine guten Schlüsse
auf die Person zu. Befürchtungen, dass das Plaudern übers Wetter zu oberflächlich sein könnte, entschärft die promovierte Trainerin. „Es gibt keine oberflächlichen Themen, nur oberflächliche Menschen.“ So gesehen
können bereits bei den banalsten Themen Fehler gemacht werden.
Wie verhalte ich mich also bei einem Vorstellungsgespräch? Für Annette Kessler ist bereits der gemeinsame Weg von der Abholung ins Büro des
Personalchefs ein Entscheidungskriterium, bei dem Pluspunkte gesammelt werden können. Wie tritt der Aspirant auf, wie benimmt er sich? Darauf würden die Entscheidungsträger bereits in dieser Phase achten. Etikette
ist angesagt und das bedeutet auch eine gewisse Zurückhaltung. „Nicht gleich auf den Personalchef losstürmen und ihm die Hand drücken“, sondern abwarten, bis die Hand geboten wird. Der Händedruck sagt viel über den
Menschen aus, sollte nicht zu lasch, nicht verschwitzt, aber auch nicht gerade von schmerzhafter Qualität sein. Bei den ersten Sätzen sollte der Bewerber erst einmal warten, bis er angesprochen wird. Was die
Kleidung betrifft, rät die Expertin zu vorherigen Erkundigungen über die firmeninternen Gepflogenheiten. Geht es zum gemeinsamen Essen, sollten die Tischsitten nicht völlig unbekannt sein. Apropos Niveau. Einen
gewissen Grad an Allgemeinbildung sollte der karrierebewusste Bewerber ebenfalls haben. Wer aus Mangel an Kenntnissen nicht mitreden kann, kann Minuspunkte sammeln.
Hat der fachlich kompetente, aber
verschlossene Mensch denn so gar keine Chancen mehr bei den Personalchefs von heute? Doch, meint die Fachfrau, denn der „EQ“ lasse sich erhöhen. EQ steht für emotionaler Quotient. „Viele Gebildete sind im
zwischenmenschlichen Bereich völlig ungebildet“, weiß Annette Kessler. Deshalb wird sie bundesweit von Großfirmen und Banken gebucht, um deren angehenden oder langjährigen Führungskräfte zu schulen. Dort wird
aufgeräumt mit autoritärem Führungsstil und zwischenmenschlichen Defiziten. Die Teilnehmer werden darauf sensibilisiert, die eigenen Gefühle besser einzubringen und sich in das Gegenüber zu versetzen. “Jeder Mensch
ist verwandlungsfähig“, so die Seminarleiterin.
Wer aber meint, sich Fähigkeiten wie Kommunikation, Ausstrahlung, Sprache, Etikette oder Präsentation nur äußerlich aneignen zu müssen, wird von den geschulten
Blicken der Personalchefs enttarnt. „Die Körpersprache muss authentisch sein“, so Annette Kessler. Der Körper lüge ohnehin nicht und enttarne das Innenleben durch Mimik und Körperhaltung. Da man sich selbst nicht in
Natura kaum beobachten kann, macht Annette Kessler mit den Teilnehmern ihrer Seminare auch Rollenspiele, bei denen gegenseitige Beurteilung auf dem Programm steht. Oft seien es Kleinigkeiten, die sich die Menschen
abgewöhnen müssten, etwa die schiefe Kopfhaltung, das Missachten des Körperabstandes oder etwa die Handstellung, bei der die Fingerspitzen pfeilgerade auf das Gegenüber gerichtet sind. In der Regel sind die
Betroffenen dankbar für entsprechende Hinweise, denn die eigenen Schwächen sind ihnen oft gar nicht bewusst.
Eine Botschaft positiv rüberbringen, setze aber auch voraus, dass der Mensch mit sich im reinen ist
und die seelische Balance stimmt. „The medium is the message“, nennt es Annette Kessler.
Infos im Internet: www.culture-talk.de
>>> Druckversion (PDF 69 kByte)
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