Vom Small Talk zur Konversation

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. Juni 2002
Beruf und Chance

Zur Sache

Von Annette Kessler, Culture Talk

Welche Rolle spielt eine gute Bildung für die Karriere?

Hans-Olaf Henkel schreibt in seinem Autobiographie, daß er letztendlich seine Stelle bei IBM im zarten Alter von 22 Jahren bekommen hat, weil er in seinem Elternhaus ständig Händel hören mußte. Daniel Goeudevert, lange Zeit Chef renommierter Automobilkonzerne studierte Literaturwissenschaft an der Sorbonne und schrieb mehrere Bücher auch zum Thema Bildung. Hat nun Karriere etwas mit Bildung zu tun? Wenn ja, gilt das nur für Topmanager? Kommt der Durchschnittskarrierist auch ohne dieses Wissen aus?

Der eine oder andere hat das schon einmal erlebt: Bei einem wichtigen Business-Dinner glänzt der japanische Geschäftspartner mit seinem Wissen über die europäische Kultur, wundert sich jedoch, daß sein Gegenüber nicht einmal den “Fidelio” richtig einzuordnen weiß. Keine Ahnung von klassischer Musik, geschweige denn von Oper!

Gute Manieren sind als wichtiger Karrierebaustein unbestritten. Eine halbwegs ästhetische Nahrungsaufnahme mit den entsprechenden Umgangsformen gehört heute zur Grundausstattung “soft skills”. So auch der Small Talk, der kleine Bruder der Konversation. Gekonnt angewandt schafft er Vertrauen, Sympathie und positive Atmosphäre. Ob in Wartezeiten zwischen Konferenzen, Kongressen, Messen oder als Eröffnung eines Verkaufsgesprächs, Small Talk ist das kleine Gespräch, das große Verbindungen schafft.

Tabu-Themen wie Politik, Religion und Geld sollten vermieden werden. Kulturelle Themen hingegen sind ausgezeichnet geeignet ein mehrstündiges Geschäftsessen mit Bravour zu bestehen und dabei noch die Aura von Bildung und feiner Lebensart zu versprühen. Außerdem öffnet die so geführte Konversation Türen zu einflußreichen Zirkeln, in denen heute oft noch ein klassisches Zitat mehr gilt als die Kenntnis der neuesten Computer-Software.

Das heißt, Bildung ist auch ein soziales Phänomen. Der Theater- oder Opernbesuch weist nicht nur den kultivierten Menschen aus, sondern gilt auch als Eintrittskarte in gewisse Gesellschaftskreise.

Das soll nicht heißen, daß Karriere ohne Bildung nicht möglich wäre. Doch wenn zu dem fundierten Management-Know-how noch eine gediegene Basisausstattung in kulturellem Wissen dazukommt, ist dies ohne Zweifel karrierefördernd. Darüber hinaus hat Bildung Auswirkungen auf den Kommunikationsstil. Der Umgang mit kultivierten Menschen ist angenehmer. Der Talk Code ist der gleiche.

Die renommierte Wirtschaftsuniversität im schweizerischen St. Gallen hat es vorgemacht: Wo früher nur Jura, Wirtschaft und Politologie gepaukt wurde, soll nun ein verpflichtendes Kontextstudium mit den Fächern Literatur und Künste für die kulturelle Kompetenz sorgen und aus den Fachleuten gebildete Fachleute machen.

Die Beschäftigung mit kulturellen Themen weitet nicht nur den Horizont für wirtschaftliche Zusammenhänge, sondern sie trägt auch zur Persönlichkeitsbildung und Menschenkenntnis bei. Wenn Don Quijote oder Faust  zu unseren neuen geistigen Bekannten gehören, wenn wir ein lebendiges und autobiographisches Verhältnis zum kulturellen Bildungswissen entwickeln, dann können wir ganz konkret durch Storys aus der Literatur lernen, Regeln der Kommunikation zu durchschauen und Kommunikationschaos zu vermeiden. Das heißt: auch alltägliche berufliche Situationen werden einerseits mit einem tieferen Verständnis und andererseits mit einer größeren Distanz beurteilt. Das Ergebnis ist eine höhere Kommunikationskompetenz, die erfolgreiche Menschen auszeichnet.

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Culture Talk - Dr. Annette Kessler

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