Vom Small Talk zur Konversation

Vorwort

Eine breite Allgemeinbildung gehört heute zu den Schlüsselqualifikationen, ist wichtig für den beruflichen Erfolg und gilt als unverzichtbarer Kompetenzausweis im Wirtschaftsleben. Eine gediegene Basisausstattung in kultureller Bildung weitet nicht nur den Horizont für politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge, sondern sie trägt auch zur Persönlichkeitsentwicklung und Menschenkenntnis bei.

Sie sollten sich keinen Fauxpas leisten im lockeren Gespräch am Rande? Für Ihre Karriere ist gekonnte Konversation mit einem breiten Themenspektrum von unschätzbarem Wert. Denn kulturelle Themen sind ausgezeichnet geeignet, ein mehrstündiges Geschäftsessen mit Bravour zu bestehen und zugleich ein geistreiches Klima zu schaffen, in dem Geschäftskontakte vertieft werden können. Bildung ist auch ein soziales Phänomen. Der Theater- oder Opernbesuch weist nicht nur den kultivierten Menschen aus, sondern gilt auch als Eintrittskarte in gewisse Gesellschaftskreise.

In dem vorliegenden Buch gewinnen Sie in kurzer Zeit ein Repertoire an konversationstauglichen Geschichten aus dem kulturellen Bereich. Ein chronologisch und thematisch sortiertes Personenverzeichnis am Ende des Buches erleichtert es Ihnen, verstreutes und verschüttetes Wissen zum Thema Musik, Literatur oder Kunst hervorzuholen und einzuordnen. In einprägsamen Geschichten mit humorvollen Aspekten erfahren Sie Neues über bekannte Komponisten, Dichter und Künstler. Durch Assoziationen und Querverbindungen können Sie dieses Wissen in der Konversation verwendbar machen.

Das Buch ist als unterhaltsame Lektüre und zum Schmökern geeignet. Sie können es selbstverständlich von vorne bis hinten durchlesen, genauso gut aber auch kreuz und quer. Auf jeder Seite finden Sie einen Begriff aus dem Alltag, von dem ausgehend eine Geschichte über einen Komponisten, Künstler oder Dichter aus einem ungewohnten Blickwinkel erzählt wird, aufgelockert durch viele amüsante und treffende Illustrationen. Das alphabetische Stichwortverzeichnis am Ende erleichtert Ihnen die gezielte Suche nach bestimmten Künstlern oder Themen.

Ungewöhnliche, manchmal auch skurrile Aspekte sollen die Berühmtheiten ein wenig von ihrem Sockel herunterholen und einen Bezug zum eigenen Leben schaffen. Bildung soll Spaß machen, denn wie schon Schopenhauer sagte: „was dem Herzen widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein“.


Hier zwei Geschichten zum Reinlesen:

Big Brother

Bei Big Brother, einem gleichwohl beliebten wie umstrittenen Fernsehformat, lassen sich die Bewohner eines abgeschlossenen Hauses oder Containers rund um die Uhr freiwillig bei allen Tätigkeiten und Bedürfnissen von Fernsehkameras beobachten. Was hier Unterhaltungswert haben soll, malte Orwell in seinem Roman1984 als Horrorvision aus. Das Schreckgespenst des totalitären Überwachungsstaates, an dessen Spitze ein fiktiver Führer, der Große Bruder, steht, der die Menschen durch Fernseher mit eingebauter Kamera, die nicht abgeschaltet werden können, ständig bespitzelt. Freiheit und Menschenrecht sind in dieser Welt Fremdwörter.

George Orwell (1903 – 1950) schrieb diese - neben Aldous Huxleys Schöne neue Welt (1932) – bekannteste Anti-Utopie des 20. Jahrhunderts ein Jahr vor seinem Tod, als er schon schwer an Tuberkulose erkrankt war. Orwell war ein politischer Mensch, erst Kommunist, dann Sozialist und kämpfte gegen die Unterdrückung in faschistischen und imperialistischen Staaten. 1936 zog er als Freiwilliger in den Spanischen Bürgerkrieg und wurde schwer verwundet.

Eine Zeitlang verdient er sich seinen Unterhalt als Tellerwäscher in Paris und lebt als Obdachloser in London. Diese Erlebnisse hält er in seiner Autobiographie Erledigt in Paris und London von 1933 fest.  Später gibt er Stunden als Lehrer an Privatschulen, er selbst war als Schüler Stipendiat des bekannten Eliteinternats Eton gewesen. Kleinere Aufträge als Reporter und Rezensent hielten ihn über Wasser.  Erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelingt ihm der Durchbruch als Schriftsteller mit seiner Fabel Animal Farm, eine Satire das Wesen der Diktatur und des Massenstaates, die ihn neben seinem Roman 1984 weltberühmt gemacht hat.


Mallorca

Frédéric Chopin (1810 -1849) verbrachte den Winter 1838/1839 mit seiner Lebensgefährtin, der Dichterin George Sand, auf Mallorca. Er wollte eigentlich wegen seiner Schwindsucht  vor dem kühlen und nassen Pariser Winter flüchten, um sich im milden Süden zu erholen. Doch es wurde ein lausiger Winter mit viel Regen.

Chopin und George Sand hatten sich in der Kartause von Valldemossa eingemietet, einem ehemaligen Kartäuserkloster nördlich von Palma, idyllisch in den Bergen gelegen. Chopin schreibt am 15. November 1838:

Es hat die schönste Lage auf der ganzen Welt: Meer, Berge, Palmen, ein Friedhof, eine Kreuzritterkirche, Ruinen von Moscheen, tausendjährige Olivenbäume. Ich bin in der Nähe dessen, was am schönsten ist.

Im Laufe des Winters wird es jedoch immer ungemütlicher: Regengüsse überschwemmen die Wege und verwandeln sie in nahezu unpassierbaren Morast. Sein Pleyel Klavier, das heute noch in der Kartause zu bewundern ist, lässt er aus Paris kommen, per Schiff und die letzte Wegstrecke mit dem Eselkarren über die schlammigen Bergpfade.

Seine Lebens- und Reisegefährtin George Sand (eigentlich Aurore Dupin (1804-1876),  war sechs Jahre älter als Chopin, geschieden, trug Hosen, rauchte Zigarren und lebte mit verschiedenen Schriftstellern zusammen (u. a. Flaubert). In ihren Romanen wandte sie sich gegen bürgerliche Moralbegriffe und setzte sich für das Recht der Frau auf außereheliche Liebe ein (Indiana, 1832). Den Winter mit Chopin hielt sie in dem Roman Ein Winter auf Mallorca fest,  in dem sie mit böser Zunge über die Mallorquiner herzieht. Das Buch wird trotzdem touristisch rege vermarktet, solang der Käufer nur den Titel kennt…

Heute ist die Kartause von Valldemossa eine große Touristenattraktion. Die Zelle, in der Chopin das berühmte Regentropfenprélude komponierte, ist rekonstruiert und jährlich finden dort Chopin - Konzerte statt. Seine Klavierkompositionen sind noch heute der Inbegriff virtuoser, romantischer Klaviermusik.

Chopin starb mit 39 Jahren an Tuberkulose und ist auf dem bekannten Pariser Friedhof Père Lachaise begraben, doch sein Herz ruht in Warschau, seiner Geburtsstadt.


Annette Kessler
Vom Small Talk zur Konversation
Gabal Verlag 2010
ISBN 9783869361192

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